Ein altes Sprichwort sagt: Not lehrt beten. Leider gilt das eher nicht für das Gegenteil: Wohlstand lehrt Dankbarkeit.
Und so verzeichnen die aufmerksamen Beobachter und Statistiker, dass gerade jetzt mehr gebetet wird. Wenn ich aber das Beten so verstehe, dass es „Reden mit Gott“, also Kommunikation im weitesten Sinne ist, dann bin ich sehr froh, dass diese ja eigentlich „uralte“ Kommunikationsschiene sich auch bei all den vielen Kommunikationsformen der neuen Medien behaupten kann.
Und im Gegensatz zu den neuen Medien, wo man möglichst viele „Likes“, „Follower“ oder „Subscriber“ haben muss, um etwas zu gelten oder zu bewegen, verfolgt Gott ein ganz anderes Prinzip: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen!Mt18,22.Er braucht keine riesige Fangemeinde, um zu kommen, er freut sich über jeden einzelnen.
Gott sucht unsere Nähe, ohne uns zu bedrängen, Er hält von sich aus Sicherheitsabstand, aber wenn wir IHN einladen, kommt ER gerne zu uns, auch wenn ER uns von unserem bisherigen Lebenslauf her eher fremd ist.
Und ganz ehrlich, sogar mit völlig Unbekannten dürfen wir uns noch mit entsprechendem Sicherheitsabstand zu zweit bewegen und uns sogar austauschen. In den neuen Medien sowieso.
Warum also nicht ganz „altmodisch“ Kontakt mit IHM aufnehmen, in der Stille, beim Lesen einer Andacht, beim gesprochenen Gebet, zu zweit oder am Telefon.
Aber auch zu dritt oder mehreren in der Familie ist vielleicht gerade jetzt ein guter Zeitpunkt,
mal wieder ein kurzes gemeinsames Tischgebet zu sprechen oder beim Gutenachtkuss den Kindern zu erklären, dass auch wir als Eltern jemanden haben, der generationsübergreifend über uns als Seine Kinder wacht und uns in Nöten beisteht und uns tröstet. Und das nicht nur in Zeiten von Corona und anderen Krisen, sondern jeden Tag und jede Nacht in unserem Leben.
Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten. (2. Tim. 2,8a)
Das Gedächtnis ist ein seltsames Ding. Wo auch immer es seinen Platz hat im menschlichen Organismus. Im Kopf, wo sich die Gedanken sammeln. Im Herzen, wo ich die schönsten Momente eingeschlossen habe und die schlimmsten. Auf der Zunge, die den Geschmack der Schokolade noch weiß, die mein Großvater mir gab als Wegzehrung beim Wandern.
Das Gedächtnis braucht Wegweiser für die Erinnerungen. Wörter, Bilder, Klänge, Geschmack. Hänsel und Gretel haben ihre letzten Bröckchen Brot im Wald hinterlassen als Markierung. Die wurden von Vögeln gefressen. Dann haben sie Kieselsteine genommen und den Weg doch wiedergefunden aus dem Dunkel heraus.
Dunkle Wegstücke gibt es auch im echten Leben, zwischen Eltern und Kindern, Lebenspartnern, Freunden. Dann hilft, sich das Gute ins Gedächtnis zu rufen. Das allererste Lächeln. Die Musik, zu der wir getanzt haben. Die heimlich geteilte Zigarette hinterm Schulgebäude.
Auch im Glauben gibt es dunkle Strecken. Zeiten von Ungewissheit. Einsamkeit und Zweifel. Und dann wieder tiefe Verbundenheit. Die Bibel ist voll von diesem Beziehungs-Auf und Ab zwischen Gott und Menschen. Auf beiden Seiten Liebe. Dann einseitige Untreue der Menschen. Und einseitige Erneuerung des Bundes durch Gott. Zuletzt schickt Gott Jesus und beschreitet selbst menschliche Wege.
Halt im Gedächtnis! Wer das zu einem andern sagt, spürt wohl, die Beziehung steht auf der Kippe. Bleib treu, steht im Predigttext. Ein Abschnitt auf dem 2. Timotheusbrief. Schon nach wenigen Jahrzehnten haben die Christen das Album mit den Bildern vom Glaubens-Anfang ganz nach hinten ins Regal geschoben und vergessen.
Der Brief ist im Namen von Paulus geschrieben. Der Apostel hat gelitten, weil er sich zu Christus bekannte. War in Haft, in Ketten gelegt wie ein Verbrecher. Offenbar empfanden die Herren der Welt sein Bekenntnis als bedrohlich. Damit liegen sie nicht falsch. In seiner bedrängten Lage macht Paulus anderen Bedrängten Mut. Christus ist von den Toten auferstanden! Jeder in Not soll wissen: Nach dem Leiden, nach dem Tod ist Leben.
Den Bedrängten Mut machen. Weil er das selbst erlebt hat, geht der ehemalige Sternekoch zurzeit jeden Abend in ein Obdachlosen-Camp und kocht für die Männer und Frauen, die dort in Quarantäne sind.
Was hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge? Eine Frau ruft ihre Schulfreundin an im Altenheim. Die hat ihr Gedächtnis verloren. Erkennt schon lange keinen mehr. Eine Altenpflegerin bringt ihr das Telefon ins Zimmer. Hörst du, sagt die Anruferin, mit einem Kloß im Hals, morgen ist Ostern. Dann singen wir wieder: Christ ist erstanden von der Marter alle. Undeutlich kommt aus dem Telefon zurück die Stimme der Kranken: Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.
Der Glaube kennt Durststrecken. Manche Erfahrung stellt die Beziehung zu Gott auf die Probe. Vielleicht sitzen wir da wie Paulus, mit gebundenen Händen. Dann können wir schauen, was wir noch im Gedächtnis haben. In einem Winkel des Herzens, im Kopf oder auf der Zunge. Christus ist auferstanden von den Toten!
Was, wenn ich nicht glauben kann? Wenn die Erinnerungs-Bröckchen längst aufgezehrt sind? Jesus hat das auch erfahren, das Nichtglauben. Am Kreuz. Sein Herz hat die Worte hervorgekramt aus dem Gedächtnis. Psalm 31. Gott, in deine Hände befehle ich mein Leben. Die Zunge hat sie ausgesprochen und das Gebet hat ihn durch die äußerste Finsternis getragen. So können wir uns auch tragen lassen. Irgendwo auf der Welt betet jemand für uns mit. Womöglich ganz in der Nähe. Der Briefschreiber sagt zum Schluss des Abschnitts, wie Gott in Christus zu uns steht: Selbst wenn wir untreu sind, so ist er dochtreu.
Fröhliche Ostern wünscht Ihre Pastorin Charlotte Scheller!
Den kompletten Text für den frühen Ostermorgen lesen Sie hier: 2. Timotheus 2,8-13
Wenn ich morgens aufwache, dann nicht vom Autolärm wie sonst.
Wenn ich durch die Stadt gehe, ist es deutlich ruhiger. So als ob eine unsichtbare Glocke über alles gestülpt wäre. Die Geräusche - Lachen, Geplauder, Menschenstimmen - sie sind sehr gedämpft.
Still ist es in vielen Wohnungen. Kinder und Enkel sind nicht da.
Still ist es heute am Karsamstag. Heute läutet keine Glocke. In den letzten Tagen habe ich so manches Mal bewusst zugehört. Bin an die Tür gegangen, wenn sie um 18 Uhr den Feierabend eingeläutet haben.
Still ist es damals in Jerusalem. Es ist vorbei.
Die große Auseinandersetzung. Der Show-Down.
Doch gewonnen haben die anderen.
Kein Happy End.
Der Vorhang ist gefallen.
Josef von Arimathäa geht zu Pilatus. Bittet ihn um den toten Jesus. Dann legt er ihn eigenhändig in die dunkle Grabhöhle. Eigentlich hat er sie für sich selbst gekauft. Nun liegt hier der König der Juden. So hat er sich jedenfalls genannt.
War er‘s? War er’s nicht?
Keine Antwort.
Die Höhle ist dunkel.
Kein Lebenszeichen von außen dringt herein.
Er legt ihn hin. Die rauen Männerhände wickeln den Toten fast liebevoll in die Tücher. Jetzt ist die Arbeit getan.
Josef wendet sich zum Gehen.
Am Eingang dreht er sich noch einmal um.
Seine Tränen sind versiegt.
Es ist still.
Dann ist er draußen. Er schiebt den großen Stein mit aller Macht vors Grab. Vor den Tod. Vor die Dunkelheit.
Jetzt ist wirklich nichts mehr zu tun.
Josef geht.
Still ist es im Grab.
Durch einen Spalt fällt ein schwacher Lichtstrahl.
Von außen ist nichts zu sehen.
Den Predigttext für Karsamstag können Sie bei Matthäus 27,57-61 nachlesen.