Gedächtnisstütze Gedanken am Ostersonntag 12. April 2020 von Charlotte Scheller

Sat, 11 Apr 2020 19:37:12 +0000 von Christian Bode

Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten. (2. Tim. 2,8a)
 

Das Gedächtnis ist ein seltsames Ding. Wo auch immer es seinen Platz hat im menschlichen Organismus. Im Kopf, wo sich die Gedanken sammeln. Im Herzen, wo ich die schönsten Momente eingeschlossen habe und die schlimmsten. Auf der Zunge, die den Geschmack der Schokolade noch weiß, die mein Großvater mir gab als Wegzehrung beim Wandern. 
 
Das Gedächtnis braucht Wegweiser für die Erinnerungen. Wörter, Bilder, Klänge, Geschmack. Hänsel und Gretel haben ihre letzten Bröckchen Brot im Wald hinterlassen als Markierung. Die wurden von Vögeln gefressen. Dann haben sie Kieselsteine genommen und den Weg doch wiedergefunden aus dem Dunkel heraus. 
 
Dunkle Wegstücke gibt es auch im echten Leben, zwischen Eltern und Kindern, Lebenspartnern, Freunden. Dann hilft, sich das Gute ins Gedächtnis zu rufen. Das allererste Lächeln. Die Musik, zu der wir getanzt haben. Die heimlich geteilte Zigarette hinterm Schulgebäude.
 
Auch im Glauben gibt es dunkle Strecken. Zeiten von Ungewissheit. Einsamkeit und Zweifel. Und dann wieder tiefe Verbundenheit. Die Bibel ist voll von diesem Beziehungs-Auf und Ab zwischen Gott und Menschen. Auf beiden Seiten Liebe. Dann einseitige Untreue der Menschen. Und einseitige Erneuerung des Bundes durch Gott. Zuletzt schickt Gott Jesus und beschreitet selbst menschliche Wege.
 
Halt im Gedächtnis! Wer das zu einem andern sagt, spürt wohl, die Beziehung steht auf der Kippe. Bleib treu, steht im Predigttext. Ein Abschnitt auf dem 2. Timotheusbrief. Schon nach wenigen Jahrzehnten haben die Christen das Album mit den Bildern vom Glaubens-Anfang ganz nach hinten ins Regal geschoben und vergessen. 
 
Der Brief ist im Namen von Paulus geschrieben. Der Apostel hat gelitten, weil er sich zu Christus bekannte. War in Haft, in Ketten gelegt wie ein Verbrecher. Offenbar empfanden die Herren der Welt sein Bekenntnis als bedrohlich. Damit liegen sie nicht falsch. In seiner bedrängten Lage macht Paulus anderen Bedrängten Mut. Christus ist von den Toten auferstanden! Jeder in Not soll wissen: Nach dem Leiden, nach dem Tod ist Leben.
 
Den Bedrängten Mut machen. Weil er das selbst erlebt hat, geht der ehemalige Sternekoch zurzeit jeden Abend in ein Obdachlosen-Camp und kocht für die Männer und Frauen, die dort in Quarantäne sind.  
 
Was hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge? Eine Frau ruft ihre Schulfreundin an im Altenheim. Die hat ihr Gedächtnis verloren. Erkennt schon lange keinen mehr. Eine Altenpflegerin bringt ihr das Telefon ins Zimmer. Hörst du, sagt die Anruferin, mit einem Kloß im Hals, morgen ist Ostern. Dann singen wir wieder: Christ ist erstanden von der Marter alle. Undeutlich kommt aus dem Telefon zurück die Stimme der Kranken: Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. 
 
Der Glaube kennt Durststrecken. Manche Erfahrung stellt die Beziehung zu Gott auf die Probe. Vielleicht sitzen wir da wie Paulus, mit gebundenen Händen. Dann können wir schauen, was wir noch im Gedächtnis haben. In einem Winkel des Herzens, im Kopf oder auf der Zunge. Christus ist auferstanden von den Toten!
 
Was, wenn ich nicht glauben kann? Wenn die Erinnerungs-Bröckchen längst aufgezehrt sind? Jesus hat das auch erfahren, das Nichtglauben. Am Kreuz. Sein Herz hat die Worte hervorgekramt aus dem Gedächtnis. Psalm 31. Gott, in deine Hände befehle ich mein Leben. Die Zunge hat sie ausgesprochen und das Gebet hat ihn durch die äußerste Finsternis getragen. So können wir uns auch tragen lassen. Irgendwo auf der Welt betet jemand für uns mit. Womöglich ganz in der Nähe. Der Briefschreiber sagt zum Schluss des Abschnitts, wie Gott in Christus zu uns steht: Selbst wenn wir untreu sind, so ist er doch treu
 
Fröhliche Ostern wünscht Ihre Pastorin Charlotte Scheller!
 

Den kompletten Text für den frühen Ostermorgen lesen Sie hier: 2. Timotheus 2,8-13
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