Gedanken am Sonntag Misericordias 2020 zu Hesekiel 34,16 (Charlotte Scheller)

Sun, 26 Apr 2020 05:31:13 +0000 von Christian Bode

Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist. Hesekiel 34,16
 
In diesen sonderbaren Tagen brauche ich ihn mehr denn je: Den Hirten, der für mich sorgt. Der mich durch die Gefahren führt. Der mich zur Ruhe bringt und mich erfrischt. Der, wenn ich ziellos umherlaufe, nach mir sucht und mich nach Hause bringt. 
 
Misericordias Domini. Der Name des Sonntags bedeutet: Barmherzigkeit Gottes. „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“. So endet Psalm 23. Ein Wegweiser für Menschen, die Gott ihren Hirten nennen. 
 
Es gibt auch schlechte Hirten. Der Prophet Hesekiel schreibt davon. Herrscher, die sich nicht um ihr Volk kümmern, sondern nur um ihren eigenen Vorteil. Gott fragt „Sollten die Hirten nicht die Herde weiden?“ und redet gleich weiter: „Aber ihr esst das Fett und kleidet euch mit der Wolle und schlachtet das Gemästete, aber die Schafe wollt ihr nicht weiden. Das Schwache stärkt ihr nicht und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt.“ (Hes34,2-4). 
 
Hirten müssen sich bewähren in der Krise, im Angesicht der Feinde. Ein Minister in Lateinamerika sagt: „Wir sind im Krieg gegen einen unsichtbaren Feind“. Viele Regierungen haben das Militär zur Hilfe gerufen, um die Ausgangssperren während der Epidemie zu überwachen. „In Kriegszeiten haben die Bürger zu gehorchen“. Trotz Militär kommen Bilder von Männern und Frauen in überfüllten Armutsvierteln zu uns. Sie können sich nicht schützen, haben kein sauberes Wasser und für ihre Kinder nichts zu essen. 
 
Unsere Regierung geht besonnen mit unseren Freiheitsrechten um. Aber wo bleiben die Schwachen, die jetzt besonders viel Stärkung brauchen? Sozialforscher sagen, diejenigen die es ohnehin schwer haben, stehen eher nicht im Blick der politischen Entscheidungen. Alte Leute. Alleinerziehende mit geringfügiger Beschäftigung. Menschen ohne Arbeit oder ohne festen Wohnsitz. In der Krise wachsen Ungerechtigkeit und Elend, auch bei uns. Nur wenige stehen dagegen auf.
 
Hesekiel legt den Finger in die Wunden. Ich lese es und weiß, ich bin selbst verstrickt. Ich esse das Fett und kleide mich mit der Wolle, ohne zu fragen, woher all das kommt. Herrschende werden schuldig und ebenso wir, die wir Gott unsern Hirten nennen. Jetzt kommt er selbst. „Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihnen fordern. Ich will meine Schafe fordern aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen“.

Der Barmherzige setzt die schlechten Hirten ab und zeigt, wie Hirten-Arbeit wirklich geht. Als erstes sucht er die Schafe wieder zusammen. Ein Unwetter hat sie auseinandergetrieben. Oder die Angst. Die kann wie ein wildes Tier sein. Angst kann einen weit wegtreiben vom Hirten. Manche Schafe waren ganz oben unterwegs und haben sich verstiegen. Andere sind verletzt oder krank geworden und zurückgeblieben. Der Hirte geht jedem einzelnen nach. Der steile Weg hält ihn nicht ab. Nicht die ansteckende Krankheit. Nicht das Elend in den Hütten der Armen. Gottes Plan ist: „Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist“.
 
Der wahre Hirte sitzt nicht wie ein König in einem Palast. Er ist unterwegs in den Favelas von Rio de Janeiro. Er krempelt die Taschen um und kauft Essen für hungernde Familien. Er steht in der Küche und kocht für die Obdachlosen. Er räumt den Kindergarten um und stellt eine Mitmach-Kiste vor die Tür für die Kinder, die zu Hause bleiben müssen. Er macht mobil gegen die ungleiche Verteilung der finanziellen Hilfen. Er lebt nicht von seinen Schafen. Er setzt sein Leben für sie ein.
 
Christenmenschen haben in Jesus den guten Hirten erkannt. Er ist den Weg durchs finstre Tal gegangen. Bis zum Tod. Die ihn liebhatten, glaubten, er ist verloren. Aber Gott hat ihn auferweckt. So weckt er uns am Ende auch auf aus dem Tod. Und seine ganze Welt. Bis dahin sind wir mit ihm unterwegs. Als Schaf, als Hirtin oder mal als das eine und mal als das andere. Weil Gott barmherzig ist, werden wir Verlorengegebene wieder aufsuchen, Verirrte willkommen heißen, Verletzte trösten und Schwache unter uns stark machen. Denn wir gehören zu seiner Herde und er ist unser Gott. Amen. 
 
Der vollständige Predigttext aus Perikopenreihe III steht bei Hesekiel 34,1-2.10-16.31
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