Predigt über Sacharja 9, 9-10 am 29.11.20 in Nikolausberg

Tue, 01 Dec 2020 17:06:53 +0000 von Thomas Markschies

© Heinz Behrends
Sup.i.R. Heinz Behrends
9 Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. 10 Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Er war ein erfolgreicher Fußballer, nach dem Ende seiner aktiven Karriere war er Trainer an manchen Orten in der Welt, zuletzt in Mexico. Als er letztes Jahr zurückkehrte in seine Heimatstadt Buenos Aires, da standen 26.000 Fans Spalier an den Straßen. Im Stadion feierten sie seine Heimkehr. Diese Woche ist er gestorben. Diego Maradona. Hunderttausende säumten die Straßen, als sein Sarg durch ein Spalier gefahren wurde, sie folgten tumultartig dem Leichenzug, so dass er aus Sicherheitsgründen abgebrochen wurde. Begleitet war der Zug von den lauten Rufen: „Er war ein König“. „Wir lieben ihn“. „Maradonna ist ewig“ stand auf Schals, die am Straßenrand von Verkäufern angeboten wurden. 10 € das Stück, 8 € für eine Tasse mit seinem Konterfei, 15 € eine kleine Statue für den Hausaltar. „Er war Gott“. Selbst die deutsche Presse überschlug sich. „Er ist eine Mischung aus Mozart und Picasso“. Donnerwetter. Er ergaunerte sein wichtigstes Tor bei der WM 186 mit der Hand. „Hand Gottes“ sagte er später. „Gott ist tot“, schrieb die WELT. „Diego ist ewig“ die BILD. Halleluja, Gelobt sei er. Sein letztes Worte war weniger spektakulär. Sein Neffe, der am Sterbebett saß, überlieferte es: „Mir ist schlecht“.
 
Wie entspannend dagegen, der ebenfalls diese Woche verstorben ist, mein Landsmann, Karl Dall. Still ist er während der Dreharbeiten zu „Rote Rosen“ in Lüneburg an einem Schlagfanfall eingeschlafen. In der Nordsee wird er ohne Aufsehen beerdigt. Keine Parade. Kein Spalier. Nicht Schummeleien und Größenwahn werden wir erinnern, sondern seine Witze: „Ostfriesen stehen immer früh um 5 Uhr auf, egal wie spät es ist“.
Dagegen die große Inszenierung beim Sport. Kinder ziehen Hand in Hand mit den Stars ins Stadion ein. Die Musik spielt „You never walk alone“,  es könnte im Gesangbuch stehen.
Beim Eishockey ist es auch so. Einzug der Gladiatoren, selbst bei BG Göttingen im Basketball. Große Inszenierung.
Umso erstaunlicher, dass Jesus das Mittel auch beherrscht. Er hätte ja einfach zu Fuß zum Passahfest in Jerusalem einziehen können, seine Jünger und die Frauen hinterher. Nein, er inszeniert. Die Esel-Verleih-Firma weiß Bescheid, als die Jünger kommen. Er setzt sich auf den Esel und zieht ein. Die Leute jubeln. Stoffe auf den Straßen, Palmenzweige. Sie rufen, nicht Halleluja, sondern „Hosianna“. Herr, rette uns“.
Ja, die Sehnsucht nach dem starken Mann. Die kennen wir. Xi Yingping, Putin, Erdogan, Orban, all die andren. Bei Trump etwas verunglückt, diese Pose. Sie sind alle von gestern. Von morgen sind die starken Frauen. Jacida Adern, Präsidentin von Neuseeland. Sanna Maria, Präsidentin von Finnland. Sie sagen, Angela Merkel sei ihr Vorbild.
Die starken Männer sind von gestern. Sagt auch Jesu schon. Er bricht das Bild vom starken Mann. Er beherrscht die gängigen Methoden, benutzt sie, aber nicht in eigener Sache.
Als Matthäus davon erzählt, liegt es gerade 10 Jahre zurück, dass die römischen Soldaten auf Pferden in die Stadt einmarschierten und alles platt gemacht haben samt dem Tempel.
Und er erinnert, was Sacharja 500 Jahre vorher gesagt hat. Auch er kannte die einmaschierenden Rosse, die mit Macht vernichten. Man hat den Tempel zu Sacharjas Zeiten gerade mühsam aufgebaut. „Jerusalem, freue dich. Das wird nie wieder passieren“. Jesus bricht das Bild vom starken Mann und reitet auf dem Esel. Der Esel, der ist störrisch, den siehst du in keiner Dompteur-Szene im Zirkus. Er ist in unsere Umgangssprach eingegangen.
 „Du Esel“. „Hast du wieder Eselsohren in dein Heft gemacht“,eine „Eselsbrücke“ brauchen die Vergesslichen. „Ein Esel nennt sich selbst immer zuerst“. Diffamierung dieses kleinen nützlichen Tieres.
Ja, „sanftmütig ist er, gerecht, arm“.
Und, man überliest es fast: Er reitet auf einem Füllen, das ist ein Eselskind, ein Jungtier. Schon der Verweis auf den Stall von Bethlehem. Das Kind und der Esel. Er reitet auf seinem Gott-Vertrauen. Störrisch ist er gegenüber der Welt. Seine Botschaft von Sanftmut und Gerechtigkeit.
 
Nun gut, was soll’s für uns in Corona-Zeiten? Er wird Frieden gebieten allen Völkern. Gebieten ja, aber er hat es nicht gebracht. Der Friedensnobelpreisträger vom letzten Jahr läßt in Äthiopien gerade heute morgen die Stadt der Tigrai erorbern. Truppen ziehen ein, Panzer, die modernen Rosse. Krieg, Syrien, Libyen, Afghanistan.  Nichts mit Friedenszeiten.
 
Wie gehen wir damit theologisch, geistlich um? Wenn wir die Worte der Propheten nicht hätten, dann würden wir abstumpfen, dann würden wir uns daran gewöhnen, an die Speerspitzen, an die Rosse und Reiter, die Kriegswagen. „Friede wird sein von einem Meer bis zum anderen“. Nein, ist nicht.
Eine geistliche Lösung unserer Spannung ist: Herr, öffne mir die Herzenstür. Ja, wenn das Herzen geöffnet ist, dann ist Friede. Ja, bei mir persönlich vielleicht. Aber dass gleichzeitig sich die Herzen aller Menschen öffnen. Wird es nicht geben in dieser Zeit. Macht, Geld, Männer werden weiter regieren.
Gut, dass wir die Bilder haben, dass die Wagen vernichtet und die Kriegsbogen gebrochen werden. So sind wir nicht eingedampft.
Und das andere: Aktuelle Wachsamkeit ist gefordert von uns. Trotz Masken, Abstand und alle den anderen Unannehmlichkeiten. Empfindsam sein für Unrecht. Wo menschenverachtenden Ideologie vertreten wird.  Wir konzentrieren uns. In alter Zeit begann die Adventszeit Mitte November. 6 Wochen Bußzeit. Fastenzeit. Wir müssen in diesen Wochen auf vieles verzichten. So holt uns die alte Tradition 2020 wieder ein. Aber wir bleiben wachsam und werden nicht müde.                                                    
Ja, so ist der Einzug in Jerusalem keine private Geschichte, sondern eine politische Demonstration Jesu am 1. Advent.
Was tun? Hannah Arendt, die große Philosophin der politischen Theorie, rät zur Pflege der Freundschaft. Der Wert der Freundschaft liegt im Gespräch. Weniger das private Seelenleben breiten wir vor uns aus, sondern wir reden über die Welt, die wir miteinander teilen.
So soll sein es sein. Das Herz ist geöffnet, die Sinne sind hellwach.

Heinz Behrends Superintendent i.R.
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