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Solidarität ist das Wort der Stunde - in Zeiten der Corona-Pandemie. Abstand halten, Mundschutz tragen um des anderen willen. Keine Besuche, keine Einkäufe. Kurzum. Aufeinander besonders achten. Eine ganze Gesellschaft übt Solidarität, um die Schwächeren unter uns zu schützen. Eine Volkswirtschaft setzt ihre Existenz aufs Spiel um der Älteren willen. Und wer aus der Solidarität ausbricht, der bekommt einen fragenden Blick, ein ermahnendes Wort oder Ordnungsämter stellen ihm den Bußgeld-Bescheid aus.
Solidarität ist das Thema in dem Abendmahls-Bild auf unseren Tafelbild-Altar von 1400. Da scharen sich die Jünger um Jesus, der ihnen das ermutigende Zeichen mit seiner rechten Hand gibt, die Oblate, das Brot mit der linken reicht. Einer sitzt sogar eng angeschmiegt auf seinem Schoß. Im Vordergrund sammeln sich die übrigen Jünger um Judas, er hat seinen Heiligenschein schon verloren, der Verräter. Der links von ihm scheint auf ihn einzureden, seine Solidarität einzufordern. Denn noch ist der Verrat nicht begangen.
Vielleicht hat Judas sogar die Solidarität seiner Jünger-Freunde eingeklagt. Wenn es jetzt zum Kampf mit der hohen Geistlichkeit kommt, dann wird Jesus seine Macht beweisen. Er braucht nur unseren Anstoß dazu.
Das Ende der Geschichte ist bekannt. Judas tut sein Werk. Jesus geht seinen Weg der Liebe weiter. Und Judas darf am Gemeinschaftsmahl teilnehmen. Er gibt ihn nicht auf. Das macht er am Ende selbst durch seine Selbst-Tötung.
Das Geheimnis des Teilens ist die Dankbarkeit. „Er nahm, dankte, brach das Brot und gab es seinen Jüngern“. Ich bin ein Mensch, der mehr empfängt als er gibt. Mein Leben hängt von dem ab, was ich bekomme. Brot und Liebe, Tee und Hoffnung. Deshalb danke ich. Und dann verschlinge ich nicht alles für mich, sondern gebe weiter: Brot und Liebe, Tee und Hoffnung und all das andere auch. Davon lebt jede Familie, jede Freundschaft, unsere Gesellschaft. Christus bildet im Abendmahl ab, was unsere christliche Lebenshaltung. So sind gerade in diesen Tagen viele Ideen der Solidarität im Laufe, auch in unserer Gemeinde. „Solidarität gegen Corona“.
Das Geheimnis des Teilens ist die Liebe. Ich habe als Kind noch erlebt, als wir unseren Bauernhof neu aufbauten. Die Maurer und Zimmerleute bekamen am Freitagabend ihre Lohntüte. Sönke Janssen, der Mauer, geht auf dem Nachhauseweg beim Bäcker vorbei und kauft ein großes Brot. Zuhause ist der Tisch schon gedeckt, das Brot in die Mitte auf den Tisch gelegt. Seine Frau und die vier Kinder sammeln sich um den Tisch, er setzt sich dazu, nimmt das Brot und sagt: Ihr Lieben, dafür habe ich die ganze Woche gearbeitet. Dies Brot ist ein Stück von mir. Ja, er könnte sogar sagen: „Dies Brot, das bin ich für Euch“. Ein sakramentales Geschehen ist das. Wenn unsere Liebe für andere zu Brot wird, das wir essen und teilen. Jesu Liebe, seine Barmherzigkeit, seine Sanftmut, sein Durst nach Gerechtigkeit wird zu Brot. Wir nehmen, danken und geben weiter – unsere Liebe.
Wir können in diesen Wochen kein Abendmahl in der Kirche feiern. Aber die Grundhaltung der Solidarität, der Wachsamkeit füreinander, die halten wir lebendig, bis wir uns wieder vor dem Altar versammeln und hören: „Christi Leib für Dich gegeben“. Oder „Das Brot Jesu Christi für Dich“.
Heinz Behrends, Superintendent i. R., Nikolausberg