Predigt am 3. Adventssonntag, dem 13.12. 2020, in der Klosterkirche Nikolausberg

Sun, 13 Dec 2020 18:45:05 +0000 von Thomas Markschies

Predigt 3. Advent Behrends Sup.i.R.
© Heinz Behrends
Sup.i.R. Heinz Behrends
Predigt über Lk 3, 3-14 von Heinz Behrends, Superintendent i.R.

„1 Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene, 2 als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste. 3 Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, 4 wie geschrieben steht im Buch der Worte des Propheten Jesaja (Jesaja 40,3-5): »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben! 5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden, 6 und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.« 7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. 9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir nun tun? 11 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso. 12 Es kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! 14 Da fragten ihn auch Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt noch Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!“

Liebe Gemeinde: Die Aussiedler aus Norddeutschland haben in Amerika eine kleine Gemeinde gegründet, die Ernte war schlecht, sie können ihren Pastor nicht mehr bezahlen. Da bietet sich der Bauer aus Buxtehude an, am nächsten Sonntag die Predigt zuhalten. Alle sind auf den Beinen, ihn zu hören. Da sitzt er da vorne und schwitzt. Läßt erst mal aus Lied 288 singen „Was willst du, armer Erdenkloß, so sehr mit Hoffart prangen?“  Alle 13 Verse. Er schwitzt und hustet, dann steht er auf und liest aus der Bibel „: Oh, ihr Schlangen und Otterngezücht, wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?“ Die Bauern mit ihren Frauen und ihren Familien schauen ihn an. Er schaut sie an. Wir leben hier unser karges Leben und dann soll uns Verdammnis bevorstehen? denken sie. Jörn Jakob Swehn, Die Amerikafahrer, erzählt es.

Der Bauer von Buxtehude fängt an zu reden. „Meine lieben Mitchristen! Oder, wie der Apostel sagt, ihr Schlangen und Otterngezücht! Ihr Schlangen! sagt er. – Ihr Schlangen und Ottern! – Ihr Ottern und Schlangen! – Ihr Ottern! – Ihr Schlangen! Das brüllt er man so raus, und dazu schlug er mit der Faust auf die Kanzel. Er tat es aber nicht aus Kraft, sondern aus Angst. Er wollte sich Mut machen. Es gelang ihm nicht. Er wußte nicht weiter. Er verbiesterte1 in seinem Text. Er fing wieder an: Ihr Schlangen und Otterngezücht! – Ihr Schlangengezücht! – Es war wieder alle. Er kuckte über sich. Er kuckte uns an. Wir kuckten ihn an. Wir saßen ganz still. Er legte noch mal los; aber er war heil und deil verbiestert: Ihr Schlangen! Ihr Schlottern und Zangen! – – Ihr Schlottergezücht! – Das kam noch ordentlich forsch raus. Und dann saß er ganz fest. Seine Vermahnung war alle geworden. Er blickte um sich wie einer, der in großer Not ist“  Einer der Ältesten hat ein Einsehen und ruft laut „Amen“. Der Bauer spricht noch ein Gebet und eröffnet es mit „Ihr Pharisäer und Schriftgelehrten“.

Die Bußrede ist voll daneben gegangen. Schimpfen hilft nicht. Ich nehme mir an ihm mein Beispiel. Obwohl: Wir könnten ja viel schimpfen heute. Die Tyrannen dieser Tage wie sie sich aufspielen und die Demokratie kaputt machen. Die Querdenker, die nicht denken.  Die an der Pandemie kräftig verdienen während andere kaputt gehen. Jeff Bezos von Amazon zum Beispiel wird um Milliarden reicher in diesem Jahr. Könnte über China schimpfen. Von dort nahm Corona seinen Lauf, heute brummt die Wirtschaft in China und wird eine große Weltmacht, die andere verdrängt. Die Drogenmafia in Mexiko, die Hunderte mit deutschen Waffen ermordet.

Nun schimpft Johannes ja nicht über  Politiker, sondern  beschimpft seine Zuhörer. Könnte ich auch tun: „Hast wieder den Müll nicht getrennt, die Brötchen heute morgen mit dem Auto geholt. Geschweigen als in deiner Nähe über Juden gelästert wurde. Ich könnte mich selbst angreifen. Der Beamte, der eine gute Pension bekommt, während andere für dieselben 40 Jahre Arbeitszeit weniger als 900 € im Monat bekommen.

Ich könnte schimpfen, aber schimpfe nicht, denn schimpfen verändert den Menschen nicht. Man merkte es diese Woche. Bürgermeister Müller in Berlin warnte vorm Shoppen, um uns gegenseitig zu schützen. Schrieb die BILD „ Bürgermeister Müller sagt, wir seien Mörder, wenn wir einkaufen.“

Adventszeit ist Fastenzeit. Da vorne am Altar hängt die Farbe Violett, wie in der Passionszeit, darauf die drei Kreuze vom Hügel auf Golgatha. Fastenzeit, Fasten, freiwillig auf etwas verzichten. Und wir beklagen uns über das, was uns in diesen Monaten genommen wird. 

Schimpfen verändert einen Menschen nicht. Lukas weiß das, er ist ein großer Erzähler, ein Menschenkenner, ein Arzt, sagt man. Bevor er Johannes zitiert, stellt er eine Vision voraus, die Vision des Jesaja. Alle Taler werden erhöht, alle Berge erniedrigt,  -Die Vision ist übrigens in meinem Heimatland Ostfriesland schon erfüllt-, was krumm ist, soll gerade werden, was uneben, wird eben. Schimpfen hilft nicht.

Navid Kermani  sagt bei der Verleihung des Marion-Dönhoff-Preises: „Nur die Aussicht auf Veränderung weckt Begeisterung, selbst wenn das Gewohnte kommod ist.“

Nichts ist zur Zeit kommod. Damals schon nicht. Warum gehen die Leute zu Johannes an den Jordan. Sie gehen hin, nicht er zu ihnen. Der Weg von Jerusalem geht durch das Gebiet, wo der Samariter den unter die Räuber Gefallenen half, gefährlich, bis man den Jordan erreicht. Da steht er da in einem Kamelhaarfell, ißt Heuschrecken und Honig. Was macht ihn attraktiv? Er beschimpft sie. Die Leute merken: Da stimmt was nicht mit uns.

Da wurde noch in diesem Jahr ein Impfstoff gegen Corona entdeckt, gleich drei in drei Labors, Millionen Dosen können geliefert werden. Und wir. Wir sitzen hier und sind betrübt. Warum danken wir nicht Gott, das er Wissenschaftlern diese geniale Erkenntnis gegeben hat. Nein, wir sitzen hier verängstigt. Keine Vision: Nächsten Sommer werden wir uns alle umarmen, küssen. Die Altenheim stehen weit offen. Ein Stadtfest wird sein, wir treffen uns am Seeburger See ohne Maske, Händelspiele am Kiessee.

Bußrufe, sagt Fulbert Steffensky, sind Lockrufe in eine Leben, das noch aussteht. Wenn man im Orient abends eine Ziege in den Stall bringen will, dann hat man zwei Möglichkeiten. Ihn schieben von hinten, er wehrt sich mit seinen Hörner. Oder du nimmst einen Stiel mit einem Band, hängst daran eine Runkelrübe, stellst dich hinter sie und hälst die Rübe vor die Nase, sie wird gehen.

Eine Vision und dann schimpft Johannes. Und die Leute fragen folgerichtig. „Was sollen wir tun“? Die Soldaten sollen keine Gewalt üben, die Zöllner nicht mehr nehmen als ihnen zusteht, sie sollen ihren Beruf nicht aufgeben. Wer zwei Hemden hat, gebe dem, der keins hat.

Was sollen wir tun? Achtsam sein gegen Unrecht. Beten. Kann Weihnachten nicht mal eine Stille Nacht sein. Vernünftig sein, aufeinander achten. Und vor allem: Bring dein Verhältnis zu Christus in Ordnung. Bete. 

Liebst du ihn? Und wenn du ihn nicht liebst, achtest  du wenigsten seine Worte: „Selig sind die Sanftmütigen, selig sind die Barmherzigen, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten.

Der Kolumnist im SPIEGEL schreibt dies Wochenende: „Jesus würde die Oma jetzt nicht besuchen“. Nächstenliebe.   Wenn die weltliche Presse sich schon auf Jesus beruft, dann muss da doch was dran sein, an ihm.

Ich schließe mit Nelly Sachs, der jüdischen Lyrikerin:

„Wenn die Propheten einbrächen 
Durch die Türen der Nacht
Und ein Ohr wie eine Heimat suchten.
Ohr der Menschheit
Du mit dem kleinen Lauschen beschäftigtes,
würdest du hören?
 
Wenn die Propheten aufständen
In der Nacht der Menschheit
Wie Liebende, die das Herz des Geliebten suchen,
Nacht der Menschheit,
würdest du ein Herz zu vergeben haben.“
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