Gedanken am Sonntag Kantate (1Sam16,14-23; Anne Dill und Charlotte Scheller)

Sat, 09 May 2020 16:33:36 +0000 von Christian Bode

Saul: Dunkel ist es in meinem Herzen. So dunkel, so kalt, als ob ich nie wieder froh werde. Dabei hat alles so gut angefangen. Damals. Eigentlich war ich nur losgezogen, um die Esel meines Vaters zu suchen. Tagelang lief ich mit meinem Begleiter über Berge und durch Täler. Doch die Esel fanden wir nicht. Eines Abends kamen wir in die große Stadt. Da trafen wir Samuel. Den kennt wirklich jeder: Er ist Gottes Prophet. Oft verkündet er, was Gott ihm mitgeteilt hat. Ich war so verblüfft, als er auf einmal vor mir stand. Aber noch viel mehr, als er die Arme ausbreitete und zu mir sagte: Sei gegrüßt, Saul! Heute musst Du mein Gast sein. Ich habe Dir etwas Wichtiges zu sagen.
 
So folgten wir ihm in sein Haus. Nach dem Essen stand er auf, kam zu mir und sagte: Saul, Du wirst König. Gott hat es mir gesagt. Ich dachte, ich hätte mich verhört. Ich?? Ich war doch ein Niemand. Aus einem kleinen Dorf. Keiner kannte mich. Doch Samuel nahm ein 
Gefäß mit Öl und goss es mir langsam über den Kopf: Saul, ich salbe Dich zum König!
 
Auf dem ganzen Weg nach Hause hing ich meinen Gedanken nach: Was werden sie zu Hause sagen? Während ich so nachdachte, hörte ich Musik. Eine kleine Menschengruppe kam uns entgegen. Und sie lachten und sie spielten Instrumente und sie tanzten. Sie sangen Lieder von Gott. Und etwas von ihrer Freude sprang auf mich über. Auf einmal wusste ich: Es stimmt, was Samuel gesagt hat. Gott hat mich ausgesucht und er ist mit mir. So wurde ich König. Doch es ist schwierig. Ich muss viele Kriege kämpfen. Die Liste der Aufgaben wird jeden Tag länger. Manche Entscheidung wird mir zu schwer. Und: Die Verbindung zu Gott wird immer schwächer. Der gute Draht zu ihm ist weg. Ich gebe es zu – ich hab nicht immer getan, was er mir gesagt hat. Einmal habe ich sogar Samuels Dienst als Priester an mich gerissen. Dabei weiß ich ganz genau: Dafür hat Gott mich nicht ausgewählt. 
 
Als ich König wurde, hatte ich das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Mittlerweile schaff ich es kaum noch aus dem Bett. Am liebsten würde ich den ganzen Tag liegen bleiben. Die Bettdecke über den Kopf gezogen, das Gesicht zur Wand. Meine Familie und meine Berater machen sich Sorgen. Jeden Morgen fragen sie: Saul, was können wir tun? Gestern hatte mein treuer Begleiter eine Idee: Saul, erinnerst Du Dich noch an damals? Als wir auf dem Nachhauseweg den singenden und tanzenden Männern begegnet sind? Wie glücklich Du warst! Wir suchen Dir jemanden, der auch jetzt für Dich singt und spielt, damit Du wieder froh wirst. 
Einen Versuch war es wert. Ich schickte sie los. Jetzt bin ich wieder allein und es ist umso schlimmer: Den tiefsten Grund für meine Traurigkeit kennen sie nämlich nicht. Vor einiger Zeit ist Samuel nochmal zu mir gekommen. Er hat gesagt: Saul, Du hast nicht auf Gott gehört. Du hast nicht das getan, was er Dir gesagt hat. Du wirst nicht mehr lange König sein. 
 
Dunkel ist es in meinem Herzen. So dunkel, so kalt, als ob ich nie wieder froh werde. 
 
David: Hier ist es. Das Haus des Königs. Ich habe Herzklopfen. Was tue ich hier? Es geht ihm nicht gut, sagen die Leute. Dem König Saul. Man hat mich gerufen, damit ich Musik mache. Mich, den Hirtenjungen David. Um seine dunklen Gedanken zu vertreiben. 
 
Ich komme direkt von den Schafen. Wie neulich, als Samuel bei uns war. Der große Prophet. Gott hat ihn zu uns geschickt. Einen neuen König sollte er berufen aus den Söhnen meines Vaters. Ich seh es vor mir, wie mein großer Bruder Eliab sich aufpumpt. Er kann kaum gehen vor Kraft. Einen Kopf größer als alle. Genau wie König Saul. Aber den tollen Eliab  hat Gott nicht zum König berufen. Auch nicht meinen Bruder Abinadab, der gut reden kann. Keinen von meinen sieben Brüdern wollte Gott zum König haben. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, soll Samuel gemurmelt haben. Aber der Herr sieht das Herz an. Sind das alle deine Söhne, hat er wohl meinen Vater gefragt. Da hat sich mein Erzeuger an mich erinnert. Den Jüngsten. Klein. Bräunlich, weil immer draußen. Hübsch wie ein Mädchen, sagen meine Brüder. Ha, ha. Samuel hat Öl über meinen Kopf gegossen. Der Geist des Herrn ist mit dir. Du wirst König, wenn die Zeit kommt. Dann ist er weitergezogen, der große Prophet.

 Ich bin wieder zu den Schafen. Da bin ich zu Hause. Unter freiem Himmel. Da fühl ich mich mit der Schöpfung verbunden. Und mit dem Schöpfer. Ich sing ihm mein Lied. König werden? Weiß Gott, das ist Zukunftsmusik. 

 Heute hat der König mich rufen lassen. Ich soll Musik machen, damit seine Seele aufatmen kann. Eliab hat gespottet. Geh du nur zu König Saul, Kleiner. Sieh dich an. Ein Krieger wird nie aus dir. Und Abinadab hat gerufen: Da geht er hin mit seiner Flöte. Was soll dabei rauskommen? Wirklich. Mit Lyrik macht man keine Politik. 
 
 Hier bin ich. Das Herz pocht mir bis in die Schläfen. Ich werde den König sehen. Herr, guter Hirte, hilf mir!
 
Flötenmusik
 
Saul: Die Musik berührt mein Herz. Ich höre Davids Lied und es wird mir leichter. Auch wenn ich selbst keinen Ton rauskriege. Ich bin Krieger. Heerführer. Ich schütze mein Land und sichere die Grenzen. Bis an die Zähne bewaffnet. Normalerweise. Davids Lied dringt durch die Rüstung. Lässt mich aufatmen. Gottes Geist ist mit ihm. So wie er einmal mit mir war. Bevor der böse Geist mich gefangen nahm. 
Die Töne klingen in mir nach. Das Dunkle stiehlt sich weg aus meinem Herzen. Licht kommt herein. Meine Brust wird weit. Meine Seele atmet auf. Ich erkenne mich wieder. Saul, einen Kopf größer als die andern. Diener des HERRN. Die Worte und Klänge bewegen mich. Ich höre zu und mein Herz stimmt ein in das Lied. Der HERR lässt sein Heil verkündigen, / vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar. / Die Ströme sollen in die Hände klatschen / und alle Berge seien fröhlich / vor dem HERRN, denn er kommt. Aus Psalm 98
 
David: Danke, großer Gott, für Deine Gegenwart. Allein kann ich gar nichts tun. Aber du traust mir etwas zu. Du rufst mich in Deinen Dienst. Du hast mir Deinen Geist gegeben. Also diene ich Dir mit dem Wenigen, das ich kann. Ein einfaches Lied. Saul scheint es gut zu tun. Du hast dir den Unscheinbarsten ausgewählt. Mich, den Letzten in der Reihe der Geschwister, den der Vater fast vergessen hätte, den die Brüder auslachen, falls sie mich überhaupt bemerken, mich hast du gerufen. Wie sehr andere sich auch aufpumpen. Du machst den Schwachen Mut, mit ihrer kleinen Kraft dein Lob zu verkünden. Ein Lied. Ein Wort. Eine Tat. Damit Deine Gerechtigkeit sichtbar wird. Damit der Mensch neben mir wieder froh wird.
Quelle: Scheller
Bestätigen

Bist du sicher?